Was unterscheidet 2020 von 2019?
Wenn wir ehrlich sind, für einen Teil der Menschheit nicht wirklich viel.
Viele Menschen sind weltweit an einem neuen Virus gestorben, viele waren schwer erkrankt und sind genesen, einige haben schwere gesundheitliche Schäden davon getragen, manche Nachwirkungen des Virus’ oder der Medikamente sind irreparabel. Durch das neuartige Virus wurde nicht nur unser Gesundheitssystem schwer belastet. Vielmehr ist durch die personellen Ausfälle, den Lockdown, den Logistikproblemen und Konsumeinbrüchen auch unser Wirtschaftssystem ins Wanken geraten. Viele haben ihre Jobs verloren, andere mussten erstmals im Leben „Kurzarbeitergeld“ oder Förderhilfen in Anspruch nehmen, das gesellschaftliche und kulturelle Leben fand monatelang nicht mehr statt, Reisen – so, wie wir es gewohnt waren, sind nicht mehr möglich. Singles, Paare und Familien wurden aufgrund von Arbeitsplatzverlusten, durch SchoolClosing und HomeOffice an ihre Grenzen geführt, unsere Solidarität und unsere Disziplin wurden auf die Probe gestellt. Viele unserer Nachbarn hat es noch viel härter getroffen, als wir es in Deutschland erlebt haben, und gar den bekannten und sehr selbstbewussten Vereinigten Staaten wurde durch das Virus deutlich gemacht, dass manche ihrer hochgelobten Konstrukte mehr als marode sind. Corona 2020 kam und hat uns Alle in den Grundfesten erschüttert.
Na und?
Für Survivor ist das nichts Ungewöhnliches, denn Menschen, die eine lebensbedrohliche Diagnose erhalten, erleben all diese Probleme geballt und zwar von einer Minute auf die nächste. Die Diagnose „Brustkrebs" erschüttert die Patienten auch in ihren Grundfesten. Das deutsche Gesundheitssystem funktioniert gut, wenn es darum geht, einen Großteil am Leben zu erhalten, in die Genesung zu bringen, viele zu heilen. „Heilung" bedeutet bei Brustkrebs die erste Überlebensdauer von 5 Jahren bzw. 10 Jahren, sofern „leitliniengerecht" behandelt wird.
In jedem Fall ist bei dieser Diagnose für die Patienten entscheidend, wo sie leben, ob und wo sie eine „leitliniengerechte“ Behandlung erhalten oder ob Ihnen sogar noch mehr als eine „leitliniengerechte“ Behandlung angeboten werden kann. Die meisten der Brustkrebsbetroffenen erfahren sofort Auswirkungen auf ihre Karriere, den Arbeitsplatz als Angestellte oder als UnternehmerIn, viele haben empfindliche Finanzeinbußen zu verkraften, nicht wenige werden zu Sozialfällen aufgrund Rezidive oder den Nach- und Nebenwirkungen von Therapie und Behandlung. Es gibt kaum eine PatientIn, die nicht von gesellschaftlichen Schwierigkeiten berichtet, die verlegenen Blicke, wenn sie sich nach dem Verlust des Haupthaars ohne Perücke oder Kopfbedeckung zeigen wollte. Ganz zu Schweigen die Probleme für Singles, den ersten Schritt nach der Erkrankung in eine neue Partnerschaft zu wagen oder die Sprachlosigkeit vieler Paare, der tiefe Schmerz, wenn die Partnerschaft während der Krise zerbricht. Zerbricht aus vielerlei Gründen; bei viel mehr Patientinnen, als man vermuten würde, weil u. a. das sexuelle Empfinden nach der Chemotherapie sehr eingeschränkt ist. Dass die jungen Patientinnen, die eine Hormontherapie benötigen, unter ungewollter Kinderlosigkeit leiden, interessiert viele der behandelnden Mediziner nicht, denn sie sehen es als ihre vorrangige Aufgabe, das Leben der Patientin zu retten. Dass die ungewollte Kinderlosigkeit bei ausreichender Vorsorge eventuell vermeidbar wäre, wird aus Zeitgründen vor der lebensrettenden OP, Chemotherapie, Bestrahlung bzw. Beginn der Hormontherapie oft für zweitrangig erklärt und dies mit gravierenden Folgen für die junge Frau. Und dass die Kinder von Patientinnen, die die Diagnose „Brustkrebs“ erhalten haben, ihre Schulleistungen bereits im ersten Halbjahr stark verschlechtern, ist zwar bekannt, aber dennoch erfahren sie ebensowenig strukturierte Aufmerksamkeit von den Lehrkräften, wie die Schulkinder beim diesjährigen SchoolClosing. Und das Thema „HomeOffice“ als Gnade oder Qual haben viele Survivor auch schon vor Corona kennengelernt.
Survivor sind „beängstigende“ Diagnosen gewohnt. Damit können sie umgehen. Sie erwarten Wahrheiten, wollen keine Beschönigungen. Und sie wollen nicht „mißbraucht“ werden für eigennützige Zwecke anderer.
Nach 20 Jahren erfolgreicher Arbeit für das Thema „Heilung von Brustkrebs“, nach 5 Jahren auch mit dem Fokus auf die „Erhaltung der Brustgesundheit“, nach den diesjährigen Patientenveranstaltungen, Medizin-Kongressen zu Beginn des Jahres und als Aussteller und Rezipient vieler Veranstaltungen und Vorträge im Rahmen des 34. Deutschen Krebskongresses der Deutschen Krebsgesellschaft im Februar 2020 in Berlin sind wir davon überzeugt: So soll es nicht weitergehen! Wir fordern neue Ansatzpunkte und ganz besonders wollen wir nicht mehr nur den Fokus auf die „leitliniengerechte“ Behandlung von Brustkrebs setzen, denn wenn unser Bundesgesundheitsminister – wie er in seiner Eröffnungsrede im Rahmen des 34. Krebskongresses in Berlin erklärte – davon ausgeht, dass 40 Prozent der deutschen Krebspatienten selbst Schuld seien an ihrer Erkrankung, da sie durch eine ausgewogener Ernährung und ausreichend Sport die Erkrankung hätten vermeiden können – dann werden zumindest diese 40 Prozent der deutschen KrebspatientInnen nicht ausreichend gesehen. Natürlich verbessern eine ausgewogene Ernährungsweise und Sport das Immunsystem – das proklamieren wir seit 20 Jahren! –, aber sie sind keine Allheilmittel und schon gar nicht, wenn die Lebensmittel zu einem großen Teil eine so hohe Schadstoffbelastung aufzeigen, wie dies der Fall ist.
Zu Beginn der Coronakrise hatten die Ministerien den Hauptfokus darauf, dass Coronapatienten versorgt werden. Wie viele OPs, Untersuchungstermine und Behandlungen von Krebspatienten verschoben wurden, muss statistisch erst noch erfasst werden, aber unser Vereinstelefon stand nicht mehr still, Psychoonkolgen aus den Krankenhäusern baten uns um Hilfe, weil sie die steigenden Zahlen derer, die neben der Tumorerkrankung und der Isolation durch Corona auch noch eine schwere Depression erlitten, nicht mehr „Herr“ wurden. Niemand kümmerte sich um die Versorgung von isolierten PatientInnen mit frischen Lebensmitteln, kein Sozialdienst fühlte sich verantwortlich für die Versorgung mit warmen Mahlzeiten. Unser Verein hat dies sofort gemanagt und zwar wochenlang, bis u. a. die Stadt Frankfurt am Main diese Versorgung übernahm. Und das neue Allheilmittel „Sport“ für Brustkrebserkrankte? Auf einmal war dies nicht mehr wichtig, denn die Sportvereine und die Fitness-Studios waren geschlossen. Vieles wurde auf einmal hinten angestellt, was sonst so lebensnotwendig sein sollte. Auch hier haben wir schon gleich zu Anfang der Pandemie reagiert und mit einem Yogafilm den Survivor in Deutschland einen „Rettungsring" zugeworfen, der sie aus der Bewegungslosigkeit führte.
Wir sind die Experten für die Krise und das haben wir auch in der Coronakrise gezeigt. Deshalb haben wir am 27. September 2020 nicht nur einen Race for Survival Deutschland 2020 und Dance for Survival an der Alten Oper Frankfurt durchgeführt – Yoga for Survival auf den Dächern Frankfurts musste wetterbedingt verschoben werden und diesen werden wir bei den ersten warmen Sonnenstrahlen im Frühling 2021 nachholen –, sondern unsere erste Women&Health&Work&Sport-Konferenz 2020 in Frankfurt am Main durchgeführt, denn die Diagnose „Brustkrebs“ verschärft und erschwert alle Bereiche eines Frauenlebens: Gesundheit, Partnerschaft und Familie, Mutterschaft, Arbeit, wirtschaftliche Unabhängigkeit, Gleichberechtigung, gesellschaftliche Teilhabe, Unversehrtheit von Leib und Seele...
Sehen Sie, wohin unsere Reise geht. Wir freuen uns, wenn Sie alle dabei sind, wenn es heißt: Create a better Life in Europe.
Ihr Aktion Pink Deutschland-Team